Der Kunststoffunternehmer Michael Brändli steigt in die Verarbeitung von Biopolymeren ein. Ein Projekt mit dem Institut für Kunststofftechnik IKT der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW wies ihm den Weg.
Rund 300 Tonnen Elastomere fliessen jährlich durch die drei Extrusionslinien der Wynentaler poesia-gruppe. Das Kunststoffunternehmen beliefert von Unterkulm aus die ganze Schweiz mit Dichtungsprofilen; grosse Fenster- und Türenbauer, aber auch Schreinereien und Privatkunden. Das Sortiment umfasst einige tausend Artikel. «Für die meisten von ihnen», sagt Inhaber Michael Brändli, «haben wir auch das Werkzeug gebaut.»
Brändli – er übernahm das gut 60-köpfige Unternehmen 2016 zusammen mit Bruder Daniel von seinen Eltern – ist im Nebenberuf Biobauer. Er züchtet in Unterkulm schottische Hochlandrinder. «Von daher liegt es nahe, dass ich auch in der Firma regelmässig nach ökologischen, nachhaltigen Varianten Ausschau halte.»
Als ein Kunde ausdrücklich nach Profilen mit Biopolymer-Anteil fragte, beschloss der Unternehmer, Nägel mit Köpfen zu machen. Sein Plan: Sechs oft verbaute Fensterprofile sollten bei poesia künftig auch in einer Bio-Version erhältlich sein. Doch dafür brauchte er Elastomere, die in Sachen Schmelzfähigkeit, Dehnungsverhalten und Oberflächenbeschaffenheit den bisher eingesetzten synthetischen Kunststoffen sehr ähnlich waren. «Denn sonst», so Brändli, «hätten wir neue Werkzeuge entwickeln müssen, was sich nicht rechnet.»
Der organische Anteil am neuen Material sollte bei mindestens 40 Prozent liegen. Ausserdem mussten die Stärke, der Zucker oder das Öl von Pflanzen stammen, deren Anbau nicht auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion geht.
Brändli wandte sich an das Institut für Kunststofftechnik IKT der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW. Das IKT zog das HTZ hinzu, und nach einer begleiteten Patentrecherche am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) in Bern setzten die Partner eine vom HTZ mitfinanzierte Machbarkeitsstudie auf.
Das IKT verfügt über Erfahrung mit dem Wissens- und Technologietransfer. «Bei uns laufen stets zwischen 20 und 30 WTT-Projekte parallel», sagt Simone Battaglia, Wissenschaftlicher Assistent am IKT.
Speziell am Fall der poesia-gruppe war indes die Ausgangslage: Denn die Herausforderung war nicht nur technologischer Natur, sondern bestand auch in der Beschaffung ganz spezifischer Kunststoffgranulate in einem extrem unübersichtlichen Markt.
Ausgestattet mit Michael Brändlis Pflichtenheft, liess Simone Battaglia die weltweiten Beziehungen des IKT spielen. Er evaluierte Produkte von mehreren Dutzend Anbietern aus dem EURaum, aber auch aus Ostasien und Nordamerika.
Von fünf Herstellern liess er sich bemustern, drei Polymere erfüllten alle Voraussetzungen und mit ihnen begann er im Labor des IKT meterlange «Spaghetti» zu produzieren.
Die Resultate übertrafen die Erwartungen: In den Dauertests, denen jedes neue Dichtungsprofil unterzogen wird, schnitten die Bio-Modelle sogar besser ab als die konventionellen Zwillinge; sie waren nach einer Million Hubbewegungen formfester und weniger abgenutzt.
Im Oktober 2022 war die Machbarkeitsstudie abgeschlossen. Und nur zwei Monate später, Anfang 2023, startete der Vertrieb über den Webshop der poesia-Tochter mk dichtungs ag.
Zeit für eine erste Zwischenbilanz: «Anklang findet die Innovation vor allem bei der öffentlichen Hand», sagt Michael Brändli. Sie sei etwa bei der energetischen Sanierung von Schulhäusern an Nachhaltigkeitsziele gebunden.
«Das sieht man selten: Anderthalb Jahre nach dem Projektstart hatte die poesia-gruppe neue Produkte auf dem Markt.»
Schwächer ist die Nachfrage bei privatwirtschaftlichen Bauherren, was vor allem mit dem Preis zu tun hat: Biopolymere sind gut doppelt so teuer wie Kunststoffe, die aus fossilen Rohstoffen gewonnen werden.
Doch die Zeit spielt für poesia. Die regulatorischen Ansprüche an die Material- und Stoffkreisläufe steigen. Biopolymere können der Wirtschaft helfen, Dekarbonisierungsvorgaben zu erfüllen. Da sich unterdessen praktisch jeder Kunststoff auch aus organischen Rohstoffen gewinnen lässt, wachsen weltweit die Produktionsvolumina. Die Folge sind sinkende Preise.
«Wir sind bereit», sagt Michael Brändli. Der 51-jährige Unternehmer ist überzeugt, dass bis in zehn Jahren rund ein Drittel der in Unterkulm verarbeiteten Polymere aus nachwachsenden Ressourcen bestehen werden.
Das HTZ begleitete die poesia-gruppe bei einer Patentrecherche am Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum IGE. Anschliessend führte das Unternehmen mit dem Institut für Kunststofftechnik IKT der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW eine vom HTZ mitfinanzierte Machbarkeitsstudie durch.